KO-Tropfen-Witze? Sexistische Gewaltfantasien? Nur problematisch, wenn’s nicht der Bruder ist
Über Doppelmoral à la Carolin Kebekus, "edgy Comedy" und die Grenzen feministischer Kritik
Kommentar
Von einer betäubten Frau, die im fremden Bett aufwacht, bis hin zu Beleidigungen gegen Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen: In der deutschen Comedy-Szene gibt es viele Grenzgänge. Manche davon werden lautstark kritisiert, andere bleiben weitgehend unbeachtet. Die Frage, warum das so ist, führt mitten rein in die Diskussion über Doppelmoral, Cancel Culture und Netzfeminismus.
Aber von vorn:
Im Frühjahr 2022 veröffentlichte die Komikerin Joyce Ilg einen Instagram-Beitrag, in dem sie scherzhaft andeutete, sie habe zu Ostern KO-Tropfen bekommen, eine Anspielung auf einen älteren Witz von Luke Mockridge, mit dem sie befreundet ist. Den Witz kann man selbstverständlich missglückt, dämlich und absolut drüber finden - vollkommen legitim.
Die Reaktionen ließen auch nicht lange auf sich warten: Zahlreiche „Aktivisten“ aus dem Umfeld von Carolin Kebekus übten ratzfatz harsche Kritik. Darunter waren etwa die Comedy- und Co-Autorin ihres Buches Mariella Tripke, die Autorin Jasmina Kuhnke sowie die Moderatorin Jeannine Michaelsen. Man kennt sich.
Auch Carolin Kebekus selbst kommentierte die Debatte damals indirekt: In einem Instagram-Reel zur Rückkehr ihrer DCKS-Show fragte sie, warum aktuell so viele erklären wollten, was „edgy Comedy“ sei. Die Botschaft war klar: Der Humor von Ilg gehört für Kebekus und ihr Team nicht zu dieser Form der „progressiven“ Satire.
Dabei positioniert sich Carolin Kebekus seit Jahren als feministische Stimme in der Comedy. Ihre Bühnenprogramme, ihre Showbeiträge und insbesondere ihr Engagement rund um den 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, unterstreichen diesen Anspruch.
Wenn’s der Bruder ist, ist’s dann okay?
Umso überraschender ist es, dass über einen vergleichbaren Fall bislang weitgehend geschwiegen wird: Ein Witz, bei dem eine Frau mit Parfum betäubt wird, in einem fremden Bett aufwacht und sich nicht erinnern kann, wie sie dorthin gelangt ist. Die Beschreibung erinnert stark an ähnliche Motive aus der Musik oder Satire, die in der Vergangenheit für riesige Empörung im Netz sorgten.
Nur: In diesem Fall stammt der Witz von David Kebekus, dem Bruder von Carolin Kebekus.
David Kebekus ist seit Jahren als Comedian aktiv. Seine Bühnenprogramme sind voll von Themen rund um Dating, Sex und vermeintlich „politisch inkorrekte“ Pointen. In Videos wie „David Kebe filmt sich beim Sex“ (2015), „Horrordate: Streichen“ (2022) oder „Heiraten oder Adoptieren“ (2023) nutzt er Begriffe wie „behindert“, „geisteskrank“ oder „rattig“. Er spricht über „idiotische Menschen, die sich nicht fortpflanzen sollten“ und über Frauen, die sich „den Arsch hinterhertragen lassen“. Kann man machen. Aber!
Solche Pointen würden - von anderen geäußert - definitiv scharfe Reaktionen nach sich ziehen. Es würde heißen: Hey, hier ist ja alles dabei! Ableismus, Misogynie, Verachtung psychisch Kranker sowie Lästereien über vermeintlich hässliche Menschen. Der Journalist und Autor Thilo Mischke etwa musste sich für die Nutzung des Begriffs „behindert“ vorwerfen lassen, ableistisch zu sprechen.
Bei David Kebekus hingegen bleibt ein Aufschrei bislang aus.
Dabei ist sein Humor durchaus mit dem vergleichbar, was von feministischen Netzwerken sonst als problematisch eingeordnet wird. Aus heutiger Sicht besonders heikel ist dabei ein Video von 2014 mit dem Titel: David Kebe und das potthässliche Kind, in dem David Kebekus schildert, wie er eine Frau mit Parfum betäubt, um sie abzuschleppen: “Einfach was auf’n Taschentuch machen, dann drückst’te das der Frau auf die Nase.” Am Ende wacht diese Frau sowie weitere, mit denen er einen “One Night Stand” hat, in seinem Bett auf. Das ist in weniger poetischer Form im Grunde das, was das Lyrische Ich in dem Gedicht „Wenn du schläfst“ von Till Lindemann schildert. Der Zwischenteil der Nummer ist angefüllt mit bodyshamenden und sexistischen Sprüchen.
In dem 1Live-Youtube-Video „Die Freundin nach Mexiko entführt?!“ (2023) spricht David Kebekus darüber, dass Männer beim Fußball problemlos austeilen könnten - ein kleiner Schlag auf den Hintern oder “gegen den Pimmel”, kein Problem. “Aber wenn du ‘ner Frau eine reinhauen willst, dann musst du das voll organisieren. Dann musst du die irgendwie in ‘nen anderes Land locken, wo das okay ist.” Da müsse man sich gut überlegen, wo man sowas ungestraft tun könne. Die Pointe: Am besten seien dafür wohl Länder am “Persischen Golf” geeignet, also Iran, Irak, Katar, Kuwait usw..
Auch das Narrativ der „verrückten Ex“ kommt in seinen Programmen vor. Und: In einem Auftritt von Januar 2025 auf seinem Instagram-Kanal schildert Kebekus eine Szene mit einer Frau, bei der er sich fragt, was diese „jetzt vorhat“ - in einer Art, die für viele Menschen an sexualisierte Bedrohungsfantasien erinnert.
Die Komik der Doppelmoral
Dass David Kebekus trotz dieser (alten und neuen) Inhalte nicht kritisch hinterfragt wird, hat aus Sicht von Kritikern auch und vor allem mit seiner Schwester zu tun. Carolin Kebekus genießt in der deutschen Medienlandschaft Anerkennung und Einfluss. Sie prangert Machtmissbrauch an, hat aber selbst eine enorme Macht inne. Sie moderiert ihre eigene Show im Ersten, tritt in Podcasts auf, produziert Formate, engagiert sich politisch.
In den vergangenen Jahren traten die Geschwister mehrfach gemeinsam in Talkshows auf. 2023 erhielten sie mit „Wir gegen die“ sogar ein eigenes Comedy-Format auf ProSieben. Die Moderation übernahm ausgerechnet Jeannine Michaelsen - eine der lautesten Stimmen in der KO-Tropfen-Witz-Debatte um Joyce Ilg.
Auch für 2025 ist ein Gastauftritt Michaelsens in David Kebekus' Tourprogramm geplant. Mariella Tripke und Jasmina Kuhnke, sonst ebenfalls sehr präsente Stimmen bei sexistischen Vorfällen, haben Inhalte von David Kebekus geliked.
All das führt zur Frage: Wird hier Kritik mit zweierlei Maß gemessen?
Es geht natürlich nicht darum, David Kebekus zu „canceln“ oder Geschwisterloyalität zu problematisieren. Jeder hat ein Recht auf miese Witze. Aber wenn Comedians und ihr Umfeld sich allzu gern mit einem enormen moralischem Anspruch positionieren, müssen sie sich auch an diesem messen lassen. Carolin Kebekus fordert in ihren Beiträgen regelmäßig, sexistische Witze nicht durchgehen zu lassen - „auch im eigenen Umfeld“. Und genau das ist der Punkt. Warum gilt das nicht für ihren Bruder? ‘Okay, okay’, kann man jetzt gerne argumentieren, ‘es handelt sich doch bei den Witzen zum Teil um alte Kamellen’. Ja. Aber ist es nicht herrlich heuchlerisch, wie bei anderen die alten Kamellen extra hinterm Ofen vorgeholt werden, um die Leute moralisch anzuprangern?
Sexistische Pointe - von der Feministin selbst
Besonders entlarvend wird es, wenn man sich erinnert, wie sexistisch Carolin Kebekus in der Vergangenheit selbst unterwegs war. Es gab viele Aussagen, die heute in jeder anderen Debatte einen Aufschrei hervorrufen würden. Was, wenn Folgendes damals von Mockridge, Pocher oder anderen Comedians gesagt worden wäre?
So machte sie sich etwa im Jahr 2014 in einem Auftritt über das Aussehen der Schauspielerin Simone Thomalla lustig. Laut einem Bericht von derwesten.de sagte sie:
„Hat irgendwer von euch den letzten ‚Tatort‘ mit der Thomalla gesehen? Die hatte so viel Botox in der Fresse, die sah original in jeder Szene so aus, als hätte man ihr gerade frisch einen Schwanz aus dem Mund gezogen.“
Was für eine derbe, frauenfeindliche Formulierung, ausgerechnet von der Frau, die sich mit großem moralischen Anspruch als feministische Stimme positioniert. Wie gesagt, alles nicht verboten und teils lange her. Damals war der Humor eben anders, derber, frecher und vielleicht auch freier.
Wer aber andere öffentlich anprangert, muss sich auch selbst hinterfragen lassen. Und wer, wie sie, solche moralischen Maßstäbe setzt, muss sich daran messen lassen - auch und gerade dann, wenn es um das eigene Umfeld geht.
Alles andere ist, zumindest für mich, nicht Feminismus. Es ist Macht. Es ist Doppelmoral. Es ist Heuchelei, verpackt in Haltung.
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