Kommentar
Nach der Lanz-Debatte zwischen Grünen-Chef Banaszak und Kulturstaatsminister Weimer zeigt sich wieder einmal: Sprache ist längst ein Minenfeld. Aber wann wurde sie zur Mutprobe? Ein Text über Grillabende, Meinungsfreiheit und die Angst, was Falsches zu sagen.
Neulich beim Grillen fragt ein Kumpel in die Runde, wie lange dieser nervige Gender-Quatsch noch anhalte. Er sagt, er versuche, das alles immer wieder mal zu ignorieren, aber es gäbe Tage, da nerve ihn dieses Thema einfach nur noch.
Er greift nach dem Tellerchen mit gebratenem Mais, reicht es seiner neuen Freundin und erntet von ihr einen Blick, als hätte er gerade einen Welpen getreten. "Wer sich am Gendern stört", sagt sie schließlich, "hat überhaupt nichts begriffen. Sprache ist eben im Fluss, weißt du?"
Und plötzlich war man mitten drin. Im Diskurs-Inferno am Grill. Was darf man noch sagen? "Ist doch meine Sache", sagt der Kumpel und meint, Gendern eben einfach nur dämlich und lächerlich zu finden. "Wie bitte? Du befeuerst damit rechte Narrative!", sagt sie. “Ja, genau. Ich bin jetzt Nazi”, entgegnet der Kumpel noch, ehe er verstummt. Sein Appetit ist dahin. Dafür bechert er jetzt umso mehr.
Und damit, liebe Leser, willkommen in Deutschland 2025 - im Land der Freiheitsrechte und der gefühlten Selbstzensur. Hier darf man natürlich alles sagen, solange der "richtige Ton" vom Gegenüber festgelegt und korrekt gegendert wird. Nur Kontext, der ist in diesen Debatten nicht so gern gesehen. Klar, niemand sperrt einen ein. Aber wehe, man will differenziert über Migration, Gender, Israel oder Klima reden. Die großen Vier. Ein falsches Wort zur falschen Zeit, und man steht am digitalen Pranger, bevor man "aber ich wollte doch nur…" sagen kann.
Es ist ein Klima entstanden, in dem man sich auf Familienfeiern oder Grillpartys dreimal überlegt, ob man wirklich sagen soll, was man denkt. In dem man sich in der Redaktionskonferenz nicht mehr traut, zuzugeben, dass einem dieser hyperkorrekte Sprachaktivismus und die Hyperproduktion ständig neuer Begriffe nur noch auf die Nerven geht. Und in dem man sich beinahe entschuldigt, wenn man das Wort "Deutsch" benutzt, ohne gleich "postmigrantisch" hinterherzuschieben.
Ein großer Teil dieser Entwicklung geht meiner Meinung nach auch auf das Konto der Grünen. Und nein, das ist kein Bashing. Auch wenn Kritik heute schnell als Hetze gelabelt wird. Aber irgendwann ist sie einfach zu weit gegangen, diese Kultur der Selbstgewissheit, in der Zweifel als Schwäche gelten und Nachfragen als Mikroaggression.
Besonders kräftig weht der Wind direkt aus der Nachwuchsabteilung der Pseudo-Moral. Jette Nietzard von der Grünen Jugend lief bekanntlich kürzlich mit einem ACAB-Pulli durch die Gegend. Also: All Cops Are Bastards. Die Botschaft dahinter: ein Hinweis auf Polizeigewalt und Machtmissbrauch. Der Diskurs: legitim und auch wichtig. Aber die Form: leider fatal. Denn wer alle über einen Kamm schert, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann niemand mehr zuhört und die Falschen sich bestätigt fühlen.
Und so schalte ich in der ZDF-Mediathek Markus Lanz ein und denke mir: Nicht mal aus der älteren Garde der Grünen kommt spürbarer Gegenwind für Krawall-Jette. Da sitzt Felix Banaszak. Blick wie ein junger Intendant. Stimme ruhig, Mimik diszipliniert, als halte er gleich ein Grundsatzreferat. Aber das, was er sagt, bricht in sich zusammen, noch während er redet. FAZ-Wirtschaftsjournalistin Julia Löhr, der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, sogar Lanz selbst nehmen den Grünen-Chef Argument für Argument auseinander. Doch Banaszak bleibt unbeirrt. Als stünde er noch fest auf dem Deck eines Schiffes, das längst leckgeschlagen ist. Was zählt, scheint nicht der Inhalt, sondern das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen.
Und genau da liegt das Problem! Es ist diese selbstzufriedene Haltung, dieses pseudoliberale Schulterzucken, während draußen der Frust immer mehr wächst. Während sich die Leute fragen, wann sie aufgehört haben, sich in ihrer eigenen Sprache wohl- und wiederzufinden. Während man ihnen unterschwellig vermittelt: Du bist nur dann ein guter Demokrat, wenn du vorher das komplette Lexikon der Identitätspolitik studiert hast.
Und wer freut sich am Ende über all das? Die AfD. Sie muss gar nichts tun. Nur warten. Bis wieder irgendein Verbot durchgewunken wird. Bis wieder jemand im Namen der Moral so arrogant herumeiert, dass es fast schon weh tut. Dann ruft sie: "Seht ihr? Die wollen nicht, dass ihr sagt, was ihr denkt!" Und viele glauben es, weil es sich oft genau so anfühlt.
Nein, es geht nicht darum, Hass und Hetze zu verharmlosen. Es geht darum, dass Meinung in einer Demokratie auch dann zumutbar sein muss, wenn sie aneckt. Dass Unsicherheit nicht kriminalisiert wird. Dass man auf Fragen keine Etiketten klebt. Und dass man nicht jeden, der sich an der neuen Sprachmoral reibt, gleich für gefährlich erklärt.
Denn wenn es nur noch darum geht, wer am moralischsten klingt, drehen wir uns nicht weiter. Wir drehen uns im Kreis. Und ja, sagen darf man das alles. Die Frage ist: Wer traut sich noch?
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Der Kumpel am Grill möchte anlasslos seine Meinung kundtun, dass das Gendern verboten gehört. Sprachpolizei mit Grillzange.